Wandgemälde im Rathaus

Das heutige Rathaus von Burscheid (Nebengebäude Ewald-Sträßer-Weg 2) wurde um 1930 als Berufs- und Handelsschule errichtet. Im Dachgeschoss befand sich die Aula. Mit der Ausmalung wurde 1931 der junge Münchner Maler Ernst Maria Fischer (1907 - 1939) beauftragt. Die Malerei ist in Fresko-Technik auf die Dachschrägen aufgebracht, die mit Bimsstein verplattet sind, worauf der Putz aufgetragen wurde. Die Malereien bedecken horizontal die Wandschrägen, während an den Stirnseiten fast die gesamten Wandflächen bis auf eine Sockelzone bemalt sind.

Es handelt sich um allegorische und mythologische Darstellungen, die hier im Rahmen der Schulaula in Bezug zu Industrie, Handwerk und allgemeinen Bildungsgütern stehen (Quelle: Gutachten vom 18.12.1998 des LVR, Rheinisches Amt für Denkmalpflege zur Eintragung der Wandmalerei als Denkmal).

Mit der Begründung, dass es sich bei der Malerei um ein Zeitdokument handelt (Zeugnis für die Malereiepoche der 30er Jahre und für die Schulgeschichte), hat das Rheinische Amt für Denkmalpflege die Darstellungen in Fresko-Technik im Jahr 1998 unter Denkmalschutz gestellt.

Heutzutage ist die Wandmalerei in dem als Sitzungssaal genutzten Dachgeschoss hinter einer schlichten Wandabdeckung geschützt untergebracht. Auch die Kostenfrage spielte eine Rolle bei der Entscheidung, die Wandmalerei beim jüngsten Umbau des Sitzungszimmers (1998) zu verdecken. Ein Poster mit farbigen Darstellungen im Treppenhaus des Rathaus-Nebeneinganges Ewald-Sträßer-Weg 2 weisen auf die frühere Malkunst hin.

Hier erhalten Sie Beschreibungen zu den einzelnen Darstellungen, bei denen es sich um Auszüge aus dem Heft "Die Berufs- und Handelsschule der Stadt Burscheid", Druckerei Studentenhaus München, 1931, handelt:

Abbildung Jugend und Aufbruch; Resignation

"Im Zusammenhang mit der Zweckbestimmung des Hauses, eine Stätte der Jugendbildung und Geistespflege zu sein, versuchen die Fresken in großen Sinnbildern den Menschen als Träger des Geisteslebens und Schöpfer der Kultur anschaulich werden zu lassen. Sie sprechen aus was in der stummen Beredsamkeit der Räume angedeutet ist und bietet der Jugend, die sich in ihnen bewegt, Hinweis und Darstellung der Ziele, um die sie sich in der täglichen Kleinarbeit von Lehre und Studium müht. So werden sie gewissermaßen zu einer gemalten Philosophie des Bildungsgedanken...".

Abbildung Die Erde

"Nicht nur als Element im traditionellen Sinn, als die große Mutter ist die Erde gesehen. Breit und ausdauernd, geduldig und stetig sitzt sie über der zu ihren Füßen sich durch Wolken drehenden Kugel unseres Planeten, von Geburt und Tod flankiert, das Element auch des Menschen als "der Staub", aus dem er geformt ist und zu dem er wieder zerfällt..."

Abbildung Die Luft

"Ist die Erde als Fundament, so ist die Atmosphäre das Stimulans des Lebens. Nicht nur als die Luft, die wir atmen, als der Luftraum, in dem Wind und Gewitter stürmen, in der  das Licht zittert, unter dessen bald lieblich wärmendem, bald erkältendem Anhauch die Temperatur unserer Gemütsstimmung steigt und fällt, ist das Element erfasst, gewissermaßen als die himmlische über der irdischen Sphäre, Ursprung und Heimat unserer Schickungen...".

Abbildung Das Feuer

"In den beiden Mittelfiguren, die dem dargestellten Element entsprechend beide männlich sind, ist die "wohltätige Macht" und die "fruchtbare Himmelskraft" des Feuers sinnfällig. Phosphoros, der Lichtbringer, lässt aus dem Strahlenkern seiner spendend erhobenen Hand Licht blitzen und Wärme strömen, und auf der Seite, der er zugekehrt ist, entzündet sich das Feuer des häuslichen Herdes, das Feuer der Werkstätten und Arbeit...".

Abbildung Das Wasser

"Wie alles Elementare ist auch das Wasser bald Segen, der als Tau und Regen aus der Wolke quillt, die Bäume sprossen macht und den Menschenverkehr um seine verträumten Spiegel sammelt, nährender Quell, bald zerstörerische Gewalt, die im kettensprengenden Frost die Verwitterung unterhält, von furchtbarer Schönheit im blinkenden Schneekristall, den ein Jüngling auf der Hand trägt, in der Finsternis von felsenwälzendem Wolkenbruch und Überschwemmung...".

Abbildung Weisheit und Fleiß

"Die Mittelfiguren sprechen in Ausdruck und Attributen für sich selbst. Die Erkenntnis muss Lehre werden, um nicht mit ihrem Schöpfer zu vergehen und um in der Geschichte Folgen zu zeitigen. Darum wird der Weise dargestellt in der Haltung eines Denkers, der einem in verschiedenen Weisen der Teilnahme horchenden Kreis darlegt, was ihn Beobachtung und Spekulation gelehrt haben. Der Fleiß verkörpert sich in den beiden Formen der Arbeit, der leitend, unternehmenden wie der ausführenden. Jede Einzelfigur in den Gruppen Lehre und Arbeit ist nicht nur als Glied einer Gruppe durchdacht, sondern auch als Variante der Weisheit bzw. des Fleißes...".

Abbildung Gerechtigkeit und Freiheit

"Diese Leitideen besonders der sozialen und politischen Kultur bildhaft zu gestalten, ist nicht einfach, namentlich wenn von der konventionellen Symbolik nicht mehr übernommen wird wie hier. Der Genius der Gerechtigkeit, durch sein Attribut leichter verständlich, ist doch noch stärker in seinem Wesen charakterisiert durch die Offenheit des geraden, unparteiischen Blickes und die ruhig abwägende Sicherheit und Haltung, die leidenschaftliche Freiheitsliebe ist in einem Jünglingstyp gelegt, der nach Ausdruck Haltung und Attribut wohl beeinflusst ist von der Erinnerung an die Tyrannenmörder des Altertums, durch den Schwung der kämpfenden Bewegung, die sich jeder Behinderung entreißt. Die Umgebungsfelder sind zur eindeutigen Interpretation hier notwendiger als in dem Gegenstück. Freiheit wird nur im Kampf gewonnen, nur im Kampf behauptet; sie ist kein Geschenk der Natur oder des Glückes...".

Abbildung Menschwerdung

"Nicht wie ein Leichnam, den das Leben verlassen hat, nicht wie ein Schlafender, in dem es mit herabgeschraubter Flamme brennt - wie Adam, ehe ihm der Odem eingeblasen wird- wie der erste Mensch vor seiner Beseelung wirkt die Gestalt, auch in ihren Maßen vor allem Zufälligen der empirischen Einzelwesen gelöst, auf das Wesentliche des Menschentums gestellt. Darum kann dieser Adam der geistigen Menschwerdung als Jedermann, als der Mensch schlechthin empfunden werden...".

Hintergründe zum Künstler und Gründe für Erhalt und Denkmalschutz

Bei dem Künstler handelt es sich um Ernst Maria Fischer (1909 - 1939), Sohn des berühmten Pädagogen Aloys Fischer. Durch die Freilegung der Fresken im Rahmen des Rathausumbaus (1998) entflammte im Rat der Stadt Burscheid ein kulturpolitische Streit um die Frage, ob die Fresken für die Öffentlichkeit sichtbar bleiben oder wieder hinter Blenden versteckt werden sollten. Vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege wurde die Wandmalerei im Fresko-Stil zwar unter Denkmalschutz gestellt, im Juni 1998 beschloss der Stadtrat jedoch, die Wandmalerei aus Kosten- und Zeitgründen nicht offenzuhalten.

Durch diesen Entschluss befindet sich die Wandmalerei im Dachgeschoss des Gebäudes Ewald-Sträßer-Weg 2, wie schon im Jahre 1975, heute hinter einer Abdeckung. Um nicht in Vergessenheit zu geraten, weist ein Poster (herausgegeben von der Burscheider FDP), im Treppenhaus auf das Vorhandensein sowie auf Hintergründe und Beschreibungen hin. 

Für die Erhaltung der Malerei liegen künstlerische Gründe vor, besonders im Hinblick auf die Geschichte der Malerei und Wandmalerei. Die Malereien verarbeiten epigonenhaft das Spektrum der Wandmalerei seit der Renaissance.

Es ist nicht zu übersehen, dass der Künstler ein Kind seiner Zeit ist und seine Malerei stilistisch auch auf die Malerei der Zeit des Nationalsozialismus, gerade im Hinblick auf die figürliche Darstellung der Menschen, hinweist. Die Inhalte der Malerei und die Biographie des Künstlers - 1938 erhielt er Arbeitsverbot, seine Mutter starb als Jüdin im Konzentrationslager - bewahren ihn aber vor einer solchen inhaltlichen Zuordnung.

Die Malereien sind in Zusammenhang mit dem Schulgebäude zu sehen. Die opulente Ausmalung stellt für eine Schule abseits der Großstädte eine Besonderheit dar. Sie ist daher mit der Schulgeschichte allgemein und auch mit der der Stadt Burscheid verknüpft und gibt Aufschluss über das pädagogische Anliegen, die Schüler über die Inhalte ihrer Ausbildung hinaus (Berufs und Handelsschule) mit Geschichte und Mythologie vertraut zu machen.

Wandmalereien aus dieser Zeit haben nach deren Zerstörungen nach dem  Zweiten Weltkrieg heutzutage Seltenheitswert.

Quelle: Gutachten des LVR, Rheinisches Amt für Denkmalpflege, vom 18.12.1998.

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